Freitag, 29. Oktober 2010

Sprache. Fremde. Heimat.

Nichts beschreibt die Bedeutung von Sprache besser als die Worte einer Autorin, die gelernt hat in mehreren Sprachen zu denken, zu schreiben, zu leben. Marica Bodrožic verdanken wir dieses Eingansgzitat.

Unser ganzes menschliches Dasein ist von Sprache durchdrungen und zwar auf eine so selbstverständliche Art, dass wir uns kaum einmal tiefere Gedanken darüber machen. Unsere Muttersprache lernen wir automatisch und kommen in der Regel ganz wunderbar durch unser Leben, ohne uns jemals näher mit Sprache zu beschäftigen. Diesen Umstand nehmen wir zum Anlass, Teile unseres Programms auszurichten mit dem Ziel, in einer Vielzahl von Veranstaltungen auf unterhaltsame Art ins Bewusstsein zu rücken, wie spannend und interessant die Beschäftigung mit Sprache und Sprachen sein kann - nämlich sehr viel mehr als ein abstraktes Instrument zur Vermittlung von Information. Sprache hat eine ganz zentrale gesellschaftliche Funktion, die dient der Identitätsstiftung und dem kulturellen Zugehörigkeitsgefühl – kurzum, Sprache ist ein immens wichtiges Kulturgut:

Sprache ist Kultur
Sprache ist Gesellschaft
Sprache ist Leben

In diesem Sinne möchten wir vor allem die zentrale Rolle herausstellen, die Sprache und die Sprachen in allen Aspekten des menschlichen Lebens spielen – wie z.B. Fragen der Identität, der sozialen Integration, der Erziehung, der Psychologie und der Kunst. Aber wir wollen auch die Menschen mit der Idee der sprachlichen Vielfältigkeit unserer Welt vertraut zu machen, um zu zeigen, dass gerade diese Vielfalt einen hohen Stellenwert für die Menschheit besitzt und daher bewahrt werden muss.

All dies soll vor allem mit den Mitteln und Instrumenten umgesetzt werden, für die wir als Kunstvermittler stehen – mit den Künsten. Dort, wo es notwendig ist, Wissen vertiefend zu vermitteln, suchen wir die Kooperation und Expertise mit Lehrenden des Fachbereichs Linguistik der Universität Salzburg.

Es ist auch kein Geheimnis, dass sich der Kulturverein Kunstbox schon seit einiger Zeit mit dem Konzept eines „Sprach-Museums“ beschäftigt. Die nächsten 24 Monate sollen ein „Labor“ für diesen Plan darstellen, ein „Work in Progress“, das uns erlaubt, facettenreich zum Thema Sprache zu experimentieren - die Ergebnisse werden in den Masterplan einfließen. Zwei Themenfelder haben wir uns vorgenommen: Die „kleine“ und die „große“ Welt der Sprache:

1. Die Sprache im regionalen Kontext
Was macht die Identität einer Region aus? Ist es die Landschaft, die Geschichte, die Kultur, die Wirtschaft, sind es die Menschen, die dort leben? Identität ist keine statistische Größe, sie ist nicht berechenbar wie „Wirtschaftseckdaten“ und nicht auflistbar wie historische Jahreszahlen. Zuallererst ist sie etwas Menschliches, resultierend aus dem komplexen Zusammenspiel vieler Faktoren. Einer dieser Faktoren ist die Region, aus der man stammt und in der die meisten auch ihr Leben lang bleiben. Jene, die weggehen, tragen Ausdrucksformen ihrer Heimat meist ein Leben lang mit sich. Diese äußern sich in vielerlei Form, z.B. wie man sich im Alltag benimmt, was man gerne ißt. Zu den „höchst markierten“, d.h. regionale Herkunft und auch Zuordenbarkeit ganz besonders stark prägenden kulturellen Ausdrucksformen eines Menschen gehört die Sprache. Es hängt dann von der Persönlichkeit jedes Einzelnen ab, inwieweit er fähig oder willens ist, sich in fremder Umgebung sprachlich anzupassen, doch den meisten hängt ihr Leben lang zumindest „ein leichter Akzent“ an. Je weiter man weggeht, desto weiter wird auch die regionale Identifikation der Herkunftsregion. Jener, der seine Regionalidentität weiter begreift, wird oder will dann eben auch weiter reichende, meist „Umgangssprache“ genannte Ebenen von Sprache verwenden, die dann oft nur mehr wenige Züge kleinerer Regionen an sich haben. Die Grundlage aller noch irgendwie Regionalität beinhaltenden Formen von Sprache sind aber die lokalen Dialekte. Ohne sie bräche das Fundament zusammen, das es z.B. den Salzburgern ermöglicht – natürlich in den verschiedensten Schattierungen – auch „Salzburgerisch“ zu reden. Das heisst: Gebrauch und Wertschätzung regionaler Sprache haben in erster Linie in der Region ihren Platz. Diesem sprachlichen Mikrokosmos wollen wir uns zuwenden - mit den Mitteln der Kunst, der Wissenschaft, aber auch mit Hilfe von Neuen Medien.

2. Die Sprache im gossen Kontext
Wieviele lebende Sprachen gibt es? - 50? 200? vielleicht auch 1000? Die richtige Antwort ist: ungefähr 6.000, Tendenz fallend. Es könnte sein, daß irgendwo in der Welt gerade jetzt die letzte Sprecherin einer weitgehend unbekannten Sprache stirbt, dann gäbe es eine lebende Sprache weniger. Was genau eine Sprache ist und nicht nur der Dialekt einer größeren Sprache, läßt sich kaum objektiv sagen: Wieviel eigene Wörter oder Ausdrücke braucht man, um eine Einzelsprache abgrenzen zu können? Es hängt auch von den Einschätzungen der Sprecher ab, ob sie etwas als eigene Sprache empfinden. Ob Swahili oder Usbekisch, ob österreichische Mundarten oder die Sprachen Frankreichs – es sind gerade die Unterschiede, welche die Faszination des „Fremden“ ausmachen.

In Veranstaltungen sollen verschiedenste Sprachen vorgestellt und thematisisert werden, aber auch Einblick geboten werden in die typische Kultur – mit Lesungen, Tanz- und Musikdarbietungen, Theaterstücke und vielem mehr. Auf diese Art und Weise wollen wir Phänomene der Sprache mit ihren Inhalten und den damit verbundenen Lebenswelten offenlegen. Folglich zielt dieser Ansatz auf einen soziokulturellen Erkenntnisgewinn und eine Wirklichkeitserkundung, die in die öffentliche Meinungsbildung der Gegenwart einmündet. Denn Sprachen dürfen nicht bloß als Kommunikationsmittel, sondern müssen als Mittel des Zugangs zu anderen Kulturen gesehen werden. Die Verbundenheit mit mehreren Kulturen durch ihre Sprachen muss Bestandteil der Identität aller BürgerInnen werden.

Darum widmet sich der Kulturverein Kunstbox in den Jahren 2011/12 dem Phänomen SPRACHE. Als eine Form von Heimat, Fremdheit und verbindender Lebensader.

Darüber hinaus werden wir konsequent weiter in das größte Kapital unserer Gesellschaft investieren - in unsere Kinder. Wir hinterfragen weiterhin die landschaftliche Identität der Region, inszenieren und bespielen sie mit Landart und Literatur. Wir planen die Gründung eines Theaterlabors und wenn unsere Kapazität ausreicht, werden wir hier sogar die eine oder andere Eigenproduktion vorlegen. Das neue Format „Kunstreisen“ wird uns 2011 zur Biennale nach Venedig führen. Und, und, und.... Hier ein Überblick über die geplanten Aktivitäten 2011: